Timm Ulrichs

Geboren 1940 in Berlin

1959-65 Architektur-Studium an der Technischen Hochschule Hannover

1961 Gründung der »Werbezentrale für Totalkunst mit Zimmer-Galerie & Zimmer-Theater« (Selbstausstellung als «erstes lebendes Kunstwerk« u.a.m.)
und 1969 einer »Kunstpraxis«
(»Sprechstunden nach Vereinbarung«)

Seit 1972 Professur an der Kunstakademie Münster

Lebt in Hannover, Münster und Berlin

Flüchtige Schatten

(Photosyntethische Photogramme)
7 »Abdrücke« von Vogel-Silhouetten, je 118 x 237 cm, realisiert mit Schablonen aus wasserfestem, 1,2 cm starkem Sperrholz, auf einer ca. 10 x 6,5 m großen Rasenfläche.
Der Photopionier William Henry Fox Talbort hat in seinem Buch mit dem bezeichnenden Titel »The Pencil of Nature« (1844) frühe Beispiele dessen gegeben, was später »Photogramm« benannt wurde und bei ihm »Photogenic Drawing« hieß: Der Bleistift der Natur zeichnet gewissermaßen selbsttätig, wie auch das Sonnenlicht sich selbst in das lichtempfindliche Photomaterial einschreibt. In diesem ursprünglichen, weiten Sinne sind 1966/69 meine »Haut-Filme« entstanden, die die Bräunung menschlicher Haut als filmischen Prozess interpretieren (»Film« = germanisch »Häutchen«!). In diesen Versuchsanordnungen wurden Hautflächen mit lichtundurchlässigem Material abgedeckt; bei längerer »Belichtung« mit (ultraviolettem) Licht wurden im beschienenen Bereich Hautpigmente »entwickelt« und temporär »fixiert«, was die Haut gebräunt erscheinen ließ, die verdeckten Partien blieben blass. Die Haut wurde so zur Leinwand, zur Buchseite, zum Fotoalbum. Texte und Bilder aller Art konnten direkt auf den Körper projiziert werden. Auf ähnliche Weise entstanden »Photogramme« auf gilbendem Papier, wie man sie beispielsweise als helle »Abdrücke« von Bildern auf Tapeten und Wänden beobachten kann. Solchen - oft durch Staub und Schmutzränder noch verstärkten - Bild-»Schatten« habe ich seit 1968 immer wieder mein Augenmerk geschenkt, da die Leerstellen der Bilder gerade durch deren Abwesenheit beredt wurden. Bei der Herstellung von »Photosynthetischen Photogrammen« (Gras-Bilder und -Texten, 1968/69) schließlich wurde die Chlorophyll-Bildung eines Rasenstückes durch
aufgelegte Schablonen für einige Zeit - etwa ein bis zwei Wochen - unterbunden. Das ephemere gelbliche Rasen-Film-Bild, das dann ans Tageslicht kam, verschwand, da nicht dauerhaft fixierbar, allerdings bei erneuter mehrtägiger Belichtungszeit wieder spurlos im Rasen-Bildgrund.

In New Delhi habe ich, die vielen Vögel beobachtend, die am Himmel ihre Kreise zogen und deren Schatten am Boden entlanghuschten, auf dieses Verfahren zurückgegriffen und mit großen Schablonen in der Form von Flugbildern des Habichts diese flüchtigen Erscheinungen zu ebenso vorübergehenden Bildern ins Gras gebannt. Der künstlerische Eingriff war denkbar einfach und gering, und das Ereignis nach kurzer Zeit gänzlich von der Bildfläche verschwunden; dennoch, so hoffe ich, wird das Erinnerungsbild daran nicht so schnell verblassen, das sich in der Dunkelkammer des Kopfes quasi-photographisch entwickelt und dem Gedächtnis einschreibt.

 

 

Installation im Garten des Corps Hassia

Richard-Wagner-Weg 36

Vogelfrei wird gefördert vom Studio Bürkle, Darmstadt